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Eine Mitgliederversammlung und die Folgen

Als ich gestern von der Mitgliederversammlung nach Hause kam war mir die Bedeutung des Erlebten mit all seiner Reichweite noch nicht klar. Als ich vor paar Stunden anfangen wollte mich auf die aus meiner Sicht wichtigsten Punkte der Versammlung zu konzentrieren um darüber zu berichten schlug die Nachricht vom Rücktritt Ernst Otto Rieckhoffs vom Vorsitz des Aufsichtsrats sprichwörtlich wie eine Bombe ein. Zwar bleibt Rieckhoff noch bis zum Ende seiner Wahlperiode im Januar 2013 Mitglied des Aufsichtsrates, aber er hat mit seiner Demission ein deutliches Zeichen gesetzt. Ein Zeichen das Auskunft und Rückschlüsse auf die Befindlichkeit des HSV im gesamten zulässt.

Zunächst zu den aus meiner Sicht vier wichtigsten Ereignissen der außerordentlichen Mitgliederversammlung.

Dr. Peter Krohn (Copyright: Andreas Irmer)

Die Veranstaltung begann mit einem Eklat zwischen Rieckhoff, Dr. Peter Krohn und einigen Teilnehmern. Peter Krohn war einer der ersten Redner und wollte, bevor die Diskussionen über die zu debattierenden Satzungsänderungsanträge beginnen sollten, eine Aussprache mit allen Beteiligten über das sportliche Abschneiden des HSV herbeiführen. Dies unterband der Sitzungsleiter, der zu diesem Zeitpunkt noch Rieckhoff war. Daraufhin fragte Krohn das Publikum und erfuhr eine Absage. Hierauf verließ Krohn die Veranstaltung. Krohn hat zweifelsohne Recht wenn er eine Aussprache über die in keiner Weise befriedigende Saison haben wollte, aber die anwesenden waren gekommen um über wichtige Satzungsänderungen zu diskutieren und schließlich auch abzustimmen.

Ich beschränke mich hier auf die drei wesentlichen aus meiner Sicht: die Einführung einer Fernwahl und die Verkleinerung des Aufsichtsrates auf 7 Mitglieder.

Zunächst zog Ingo Thiel seinen Antrag auf Anhörungspflicht der Mitgliedschaft und deren Zustimmung bei bestimmten Verträgen nach intensiven Gesprächen mit Vorstand und Aufsichtsräten zurück. Er betonte dabei, dass er im Gegensatz zum alten Vorstand dem aktuellen vertraue und er dem Ehrenwort des Vorstandvorsitzenden Carl Edgar Jarchow vertraue. Damit wurde ein mögliches großes Hindernis für das operative Tagesgeschäft aus der Welt geschaffen.

Danach wurde der Antrag auf Einführung der Fernwahl lebhaft, überwiegend fair und sehr kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite die Befürworter mit Jan Talleur (Antragsteller) und unter anderen Alexander Otto. Nach gut zweistündiger Diskussion wurde abgestimmt. Zum Zeitpunkt der Abstimmung waren 585 stimmberechtigte Mitglieder anwesend. Ergebnis: 256 dafür, 324 dagegen und 5 Enthaltungen. Damit war der Antrag abgelehnt. Während der Diskussion hatten verschiedene Redner darauf verwiesen, dass in dem Antrag keine konkreten Angaben für eine Durchführung gemacht wurden. Andere verwiesen mit Vehemenz darauf, dass alle bei ihrem Eintritt in den HSV gewusst hätten, dass das Vereinsleben sich in Hamburg und zwar auf allen Ebenen abspiele. Dem wurde entgegen gehalten, dass der HSV überall dort stattfindet wo er gelebt wird. Dort wo Menschen für die blau – weiß – schwarze Raute einstehen. Bei mir stellte sich schon nach relativ kurzer Zeit der Diskussion das Gefühl ein, dass es den Gegnern um zwei Dinge geht: zum einen um den Status mit wenig Stimmen in ein Amt oder eine Position zu kommen, um eventuell etwas dazustellen. Gleichzeitig nur keine „neuen Moden“ einführen, die angeblich enorme Risiken hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit stehen.

Ernst Otto Rieckhoff (Copyright: Andreas Irmer)

Die zweite große Entscheidung wurde über Horst Beckers Antrag auf Verkleinerung des Aufsichtsrates auf sieben Mitglieder getroffen. Zeitweilig war die Diskussion über dieses Thema ein offener Schlagabtausch zwischen zwei unterschiedlichen Lagern mit verhärteten Fronten und betonierten Standpunkten. Auf der einen Seite sprachen sich SC Chef Bednarek, die Aufsichtsräte Ertel, Hunke und Klüver gegen eine Verkleinerung aus und auf der anderen sprachen sich u. a. die Aufsichtsräte Alexander Otto, Jörg Debatin, Horst Becker und Ernst Otto Rieckhoff für eine Verkleinerung des Aufsichtsrates aus. Hierbei machte Rieckhoff einen mit dem Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit nicht abgestimmten Vorschlag. Im Zusammenhang mit einer Verkleinerung sollten alle Räte zur Mitgliederversammlung im Januar 2013 zurücktreten um dem dann neu zu wählenden Aufsichtsrat einen sauberen Start zu ermöglichen. Die Empörung der Aufsichtsratsmitglieder Ertel und Hunke reichte von Empörung darüber, dass dies nicht vorher im Aufsichtsrat besprochen worden sei bis hin zur Missachtung des Wählervotums der Mitgliederversammlung vom Januar 2011. Gewiss lehnte sich Rieckhoff mit seinem Vorschlag weit aus dem Fenster, aber wollte damit lediglich ein Zeichen setzen und damit zeigen, dass zumindest er nicht an seinem Posten klebt.

Das Abstimmungsergebnis von inzwischen nur noch 510 stimmberechtigten Mitgliedern: 262 dafür, 244 dagegen bei 4 Enthaltungen.

Gegen 18.30 wurde dann der Antrag gestellt, die noch nicht diskutierten Anträge zu vertagen fand unter der Maßgabe diese auf einer weiteren außerordentlichen Mitgliederversammlung vor Januar 2013 zu diskutieren und abzustimmen eine große Mehrheit.

von links: Peters, Scheel, Hilke, Arnesen, Jarchow, Rieckhoff, Otto, Ertel (Copyright: Andreas Irmer)

Im Anschluss daran fand ab 18.30 Uhr vor noch 316 stimmberechtigten Mitgliedern die Informationsveranstaltung des Vorstandes statt. Es waren Kurzberichte von Rieckhoff für den Aufsichtsrat, Jarchow für das Gesamte im Vorstand, Scheel für den Mitgliederbereich, Hilke für Marketing und Kommunikation sowie Arnesen für das sportliche. Es gab eine kurze Aussprache insbesondere über die Leistung der Bundesligamannschaft, die in der Aussage, dass das nicht wieder passieren dürfe gipfelte.

Fazit: Das einige und ruhige Bild, dass der HSV in den letzten Monaten und vor allem Wochen nach außen gezeigt hat war ganz offensichtlich dem Existenzkampf der Bundesligamannschaft geschuldet. Dieser war mit dem Klassenerhalt erfolgreich. Aber schon die Mitgliederversammlung im Januar 2012 hatte deutlich aufgezeigt, dass es nach wie vor mindestens einen Graben nicht nur quer durch den Aufsichtsrat sondern durch den ganzen Verein gibt. Dieser ist seit Sonntag noch ein ganzes Stück breiter geworden. Mein Eindruck von der gestrigen Veranstaltung war einmal mehr, dass es in vielen Positionen und Ämtern Selbstdarsteller gibt, die dem HSV nicht nur nicht nützen sondern ausschließlich auf das eigene statt auf das Vereinswohl fixiert sind. Ohne die Mitgliedschaft wird sich daran nichts, aber auch rein gar nichts ändern. Es könnte sogar noch dramatischer kommen. Der Verlust der Erstligazugehörigkeit, die weiteren öffentlichen und auch halböffentlichen oder nicht öffentlichen Kontroversen für den Eigennutz wird dem HSV auch wirtschaftlich großen Schaden zufügen. Muss der HSV erst absteigen bevor er aufwacht? Gestern war zeitweise gerade mal ein gutes Prozent der stimmberechtigten Mitglieder anwesend. Allein in Hamburg sollen ca. 30.000 stimmberechtigte Mitglieder leben. Wo waren sie während wichtigste Entscheidungen für den HSV getroffen werden. Sieht so das viel gerühmte Vereinsleben der Familie HSV aus?

Leid tut es mir um Ernst Otto Rieckhoff, der eine großartige Leistung für den HSV in den letzten 14 Monaten erbracht hat. Er ist einer der wenigen, dem man zurufen möchte: Mach weiter! Leider wird er im Januar 2013 nicht wieder zur Wahl stehen.

Nachsatz:

Nicht in den Berichten gestern kam nicht zur Sprache, dass die Frauenfußballmannschaft für die 1. Und 2. Liga nicht gemeldet werden wird. Der Verein spart! Aber sinnvoll?

Ruhe nur an der Oberfläche

Der HSV nach der Mitgliederversammlung

Das Podium mit den Herren Peters, Ertel, Otto, Rieckhoff, Jarchow, Arnesen, Hilke, Scheel

(Copyright: Alle Photos von Andreas Irmer)

Vor rund 10 Monaten wurde der neue Vorstand vorgestellt. Als oberstes Gebot gab der neue Vorstand – damals noch ohne Frank Arnesen – für den Verein Ruhe aus. Einfach nur Ruhe. Das hieß im Klartext einstellen aller kontroversen Diskussionen im Verein, diese würden dem Verein, der Profimannschaft insbesondere schaden. Und siehe da, es wurde merklich ruhiger im Verein. Der Erfolg bei den Profis stellte sich trotzdem nicht ein. Das internationale Geschäft wurde nicht erreicht. Trotzdem gab es einen gewichtigen Grund Ruhe zu bewahren. Die Feindbilder Nr. 1 und 2 waren nicht mehr da. Bernd Hoffmann und Katja Kraus.

Christian „Büdi“ Blunck (Copyright: Alle Photos von Andreas Irmer)

Gestern war nun die erste Mitgliederversammlung der Zeit nach Hoffmann/Kraus. Schon im Vorfeld war der Wunsch der HSV Führung – Aufsichtsrat und Vorstand – bekannt: keine Schlammschlacht, keine Abrechnung mit dem ungeliebten Ex-Vorständen. Trotz intensiver Prüfung wurde nicht gefunden was einen juristischen Nachgang zur Folge hat. Denn ganz im Gegensatz zur Springerpresse, die im Vorfeld ordentlich Stimmung gemacht hatte und insbesondere die Supporters in der „Sportbild“ aufgefordert hatte die Entlastung für Hoffmann/Kraus zu verweigern, kam es gänzlich anders als von vielen Medienvertretern erhofft. Bei der Abstimmung über die Entlastung von Aufsichtsrat und Vorstand waren noch sieben Kamerateams im Saal bei Bekanntgabe des Wahlergebnis für das Vorstandsmitglied für Mitgliederbelange waren es nur noch zwei. Oliver Scheel wurde mit 751 von 1.030 Stimmen gewählt. Christian „Büdi“ Blunck erhielt 273 Stimmen, 6 Stimmen wurden ungültig abgegeben.

Auch Frank Rost beteiligte sich an den Fragen an Blunck und Scheel (Copyright: Alle Photos von Andreas Irmer)

Nach einem etwa 8 1/2 stündigen Sitzungsmarathon wurde die Versammlung auf den 20. Mai 2012 vertagt. Dann soll es mit den noch zahlreichen restlichen Tagesordnungspunkten weitergehen. Darin enthalten alle strittigen Punkte: Fernwahl, Investoren, Verkleinerung des Aufsichtsrats und Livestream von der Mitgliederversammlung.

Frank Arnesen erhielt bei seinem Bericht viel Applaus (Copyright: Alle Photos von Andreas Irmer)

Fazit: Alles in hat die Versammlungsregie für einen ruhigen, fast durchgängig fairen und sachlichen Ablauf der Veranstaltung gesorgt. Dennoch waren immer wieder unterschwellig die sehr unterschiedlichen Auffassungen über die Arbeit insbesondere der „alten“ Vorstände und Aufsichtsräte wahrzunehmen. Die unterschiedlichen Auffassungen über die noch ausstehenden Themen werden erst auf der Fortsetzung der Mitgliederversammlung im Mai ausgetragen. Bis dahin werden alle Beteiligten versuchen zu punkten.

Kaltz, Kargus und Co.

Im Jahr 2011 machen sich viele HSVer Gedanken und Sorgen über den HSV. Es werden Zweifel daran geäußert ob der HSV überhaupt mit der jungen Mannschaft in der Bundesliga konkurrenzfähig sei. Als Maßstab werden die bisherigen Testspiele genommen. Selbstverständlich werden dabei die Spiele mit einem negativen Ergebnis für den HSV besonders ausgebreitet. Ob nun zu Beginn der Vorbereitung und direkt nach dem Konditionstrainingslager auf Sylt gegen die „Wölfe“ in Flensburg, das Finale gegen den BVB im Liga-Total-Cup oder das 1 : 2 gegen Valencia. Man ist sich dabei auch nicht zu schade dafür selbst Siege (gegen den VFB Oldenburg im DFB-Pokal) als Beleg für mangelnde Konkurrenzfähigkeit anzuführen.

Wir haben zwei Jahre mit einem überalterten Kader in dem es vorne und hinten nicht zu stimmen schien, aber über sehr viel internationale Erfahrung verfügte die Plätze 7 und 8 als Saisonergebnis eingefahren. Der neue Vorstand reagierte mit einem längst überfälligen und deshalb wohl auch berechtigter weise drastisch zu nennenden Umbruch. Der neue Sportdirektor Frank Arnesen ist mit der augenblicklichen Kaderzusammenstellung zufrieden.

Ich erinnere mich noch recht gut an die frühen siebziger Jahre. Insbesondere die Jahre von 1970 bis 1973. Es sind Jahre die ich in ihrer in denen der HSV einen vergleichbaren Umbruch erlebte, Stars verlor und auf junge Spieler setzte und setzen musste. Es ist die Zeit in der verdiente HSVer wie Horst Schnoor Ende der Saison 1969/1970 aufhörte für den HSV zu spielen und Arkoz Özcan der Nachfolger wurde. Es sind die Jahre in denen Jürgen Kurbjuhn, Willi Schulz, Helmut „Ratte“ Sandmann, Gert „Charly“ Dörfel und last but not least „Uns“ Uwe Seeler den Verein verließen. Es ist die Zeit in der junge Talente vom Talentsucher Gerhard Heid zum HSV gelotst werden. Die Talente Heißen Manfred Kaltz (1970), Rudi Kargus (1970), Peter Hidien (1972), Hans-Jürgen „Ditschi“ Ripp (1970) und Peter „Eiche“ Nogly (1969) um einige Spieler der jungen Generation zu nennen.

In der Spielzeit 1970/1971 wurde der HSV fünfter. Die Mannschaft hatte sich um einen Platz verbessert. Im Vorjahr hatte der erst 31 jährige Klaus Dieter Ochs (war zuvor zwei Jahre Trainer bei den HSV-Amateuren) die Mannschaft übernommen. Dieser wohl jüngste Bundesligatrainer der Geschichte blieb bis zum Ende der Spielzeit 1972/1973. Er wurde auf Wunsch von Dr. Peter Krohn durch Kuno Klötzer ersetzt. Ochs selbst beerbte Georg Knöpfle.

Dieser junge Trainer baute die Mannschaft Schritt für Schritt um. Waren in der Saison 1970/1971 noch Spieler wie Seeler, W. Schulz, Hönig und Dörfel die Mannschaftstützen so verdrängte in der folgenden Spielzeit 1971/1972 Manfred Kaltz im Alter von 18 Jahren Jürgen Kurbjuhn, Georg Volkert, der EX-Clubberer kam über den Umweg Schweiz und trat die Nachfolge von Gert Dörfel an. Es zeichnete sich der Wechsel von Ripp auf Memering ab und Rudi Kargus löste Arkoc Özcan ab. Das Saisonergebnis war der 10 Tabellenplatz und das Abschiedsspiel für Uwe Seeler vor über 70.000 Zuschauern.

In der Spielzeit 1972/1973 war aus der „alten Garde“ nur noch „World Cup“ Willi Schulz dabei. Das Gerüst sollten Spieler wie Ole Björnmose, Klaus Zaczyk und Georg Volkert bilden. Während der Saison wurde noch Horst Heese von der Frankfurter Eintracht verpflichtet. Wie wir wissen sollte er eine entscheidende Rolle in dieser Saison für den HSV spielen. Die Mannschaft stand bis zum 24. Spieltag auf einem Abstiegsplatz. Am Ende der Saison stand diese junge Mannschaft auf dem 14. Tabellenplatz und hatte drei Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz.

Selbstverständlich, möchte eine solche Saison heute niemand mehr erleben. Auch ich nicht. Allerdings sollten wir UNSERE MANNSCHAFT nicht vor dem ersten Spiel abschreiben, was ich in den letzten Tagen häufiger gehört und gelesen habe. Sehr zu meinem Entsetzen gehört und gelesen habe. Ich frage mich dabei: Wo ist da die Bereitschaft zusammen mit der Mannschaft zu kämpfen – egal um welche Platzierung es geht. Ein Gewerkschaftsspruch lautet  so: Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren.

Letztendlich ist genau der Umbruch erfolgt, der wenn nicht von allen so doch von der weit, weit überwiegenden Mehrheit der HSVer gewollt wurde. Jetzt heißt es für alle HSVer auch dazu zu stehen und die Mannschaft zu unterstützen. Auch und meiner Meinung nach gerade dann wenn Entscheidungen getroffen werden die nicht unsere Zustimmung finden. Ob es nun die Trainerwahl oder die Auswahl des Kapitäns ist, Pfiffe vor der Saison sind keine Motivationshilfe. Und weshalb soll der deutlich erfahrenere Oenning, der ja auch noch besser ausgebildet ist als Ochs je war, nicht mindestens den Klassenerhalt perfekt machen?

Aber manchmal klaffen zwischen Realitätssinn für das Machbare und Anspruchsdenken/ -haltung weit auseinander und passen nicht zusammen.

Übrigens, die Saison 1973/1974 wurde auf dem 12 Tabellenplatz beendet, nach dem am 27. Spieltag sogar einmal der 5. Rang erklommen worden war.